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Regen, Züge, noch mehr Regen

15. September 2025, 20:35 Uhr von Uwe

Der letzte Urlaubstag vor der Heimreise war völlig verregnet. Die Wettervorhersage hatte es lang und breit Tage vorher angekündigt, und ich hatte mir schon vorher einen Schlechtwetterplan ausgeknobelt, denn nur dusslig im Hotelzimmer rumsitzen ist ja keine Option, dusslig in Zimmern rumsitzen kann ich auch daheim. Also ging es auf eine schienengebundene Kreuzfahrt durch die Ostschweiz.

Das ganze Palaver zum Thema Aufstehen und Frühstücken lasse ich mal weg, durch konstante Wiederholung der Tatsachen, dass ich Brötchen mit Marmelade und Brötchen mit Nutella gegessen und dazu Orangensaft und Kaffee getrunken habe wird der Eintrag ja auch nicht lesenswerter… 😉 Auf jeden Fall ging es danach wenig überraschend zum Bahnhof, was dank unterirdischen Zugangs sogar ziemlich trockenen Fußes gelang.

Abfahrt Richtung Norden

Der erste Zug des Tages fuhr in Richtung Zürich. Er kurvte also über Rotkreuz und Zug in nordwestlicher Richtung, knickte dann nach Norden ab, durchquerte zwei Tunnel und kam dann oberhalb des Zürichsees wieder raus. Nun ging es noch ein paar Höhenmeter abwärts in nordwestlicher Richtung bis zum Bahnhof Thalwil, wo man die Strecke trifft, die dann am Südufer des Zürichsees in den Fernen Osten (der Schweiz) führt.

Erstaunlicherweise hatten wir auf dieser Fahrt satte vier Minuten Verspätung angesammelt, so dass es mit dem ersten Umstieg des Tages sogar überraschend knapp wurde. Also raus ausm Zug, beim Treppesteigen elegant den Regentropfen ausweichen, am anderen Bahnsteig die Treppe wieder runterstolpern, und da fuhr auch schon der Zug ein, mit dem es weitergehen sollte.

Eine Führerstandsmitfahrt bei besserem Wetter ist auf youtube verfügbar.

Seen gesehen

Im Zug Richtung Chur war dummerweise kein Platz mehr auf der in Fahrtrichtung linken Seite frei, von wo aus man allerbeste Sicht auf die Seen gehabt hätte, an denen die Strecke entlangführt. Nun gut, lerne ich eben auch endlich mal die Aussicht auf der anderen Seite kennen – nicht dass es vor lauter Wolken nennenswert etwas zu sehen gegeben hätte. Die Berge waren allenfalls zu erahnen, die ganze Szenerie fühlte sich also reichlich gespenstisch an, während die Fahrtgeräusche nur vom Trommeln des Regens aufgelockert wurden.

Der Zug rollte nun in flottem Tempo in Richtung Walensee, da sah man dann auch tatsächlich die ersten Berge, einfach weil der Einschnitt dort schmal genug ist, durch den die Bahnstrecke führt. Die Wolken hielten sich hartnäckig in den Bergflanken, die Spitzen der Berge waren weiterhin in undurchdringliches grau gehüllt. Und der Walensee selbst sah auch nicht schön türkisblau, sondern deprimiert graublau aus. Trotzdem spektakulär.

Die weitere Strecke bis nach Chur führt am Alpenrhein entlang und ist dann weniger spektakulär, auf der parallel verlaufenden Autobahn war jedenfalls auch nicht allzu viel los. Und damit war dann auch schön der östlichste Punkt der Rundreise erreicht, in Chur war Umsteigen auf schmale Spur angesagt, und dann sollte es in westsüdwestlicher Richtung weitergehen.

Eine Führerstandsmitfahrt bei bestem Wetter gibt es bei youtube, Thalwil ab Minute 5:22.

Multiple Rheinquerungen

Das Umsteigen in Chur war überhaupt kein Problem, der Zug war quasi leer, ich hatte also die freie Sitzplatzwahl. Die Fahrt führte nun aus Chur hinaus am Rhein entlang und am Zusammenfluss von Vorder– und Hinterrhein über beide drüber und anschließend in gemütlichem Tempo in die berühmte Rheinschlucht. Die habe ich ja 2019 schon durchwandert, von daher war mir die Strecke gut bekannt. Im Schmuddelwetter des Tages waren die Eindrücke aber eben doch nochmal ganz andere. Die ganze Gegend war quasi menschenleer, keine verrückten Wanderer oder Wildwasserkanuten, nur viele steile Felswände links und rechts, und mittendrin der Rhein und die Bahnstrecke, die diesen mehrfach kreuzt.

Die Strecke steigt dabei kontinuierlich an, führt schließlich aus der Schlucht hinaus Richtung Ilanz (der ersten Stadt am Rhein) und kurvt dann weiter am nördlichen Hang entlang hinauf nach Disentis/Mustér. Der Ort wird ja vom großen Kloster dominiert, und gleichzeitig markiert er das Ende der Welt – also der Welt der rhätischen Bahn. Hier am Bahnhof wechselt man auf die Gleise der Matterhorn-Gotthard-Bahn, die zwar die gleiche Spurweite haben, aber steiler trassiert sind und daher Loks mit Zahnradunterstützung benötigen. Während man im Glacier Express hier also einen kurzen Aufenthalt für den Lokwechsel hat, endet der Regionalzug hier, das selbstverladende Stückgut wird gebeten auszusteigen.

Das war auf dem Papier der knappste Umstieg des Tages, drei Minuten nur. Allerdings muss man nur aus dem Zug raus, einmal quer über den Bahnsteig laufen (geschätzte 7 Meter) und auf der anderen Seite wieder in den bereitstehenden Zug einsteigen. In der vorhandenen Zeit hätte ich auch noch am Snackautomaten am Bahnsteig was erstehen können.

Die passende Führerstandsmitfahrt bei wolkenlosem Sonnenschein, damit man die Landschaft auch wirklich sieht, gibt es auf youtube.

Berg hoch und Berg runter

Direkt hinter dem Bahnhof Disentis beginnt auch gleich der erste Zahnstangenabschnitt, die Strecke führt nun steil bergauf auf über 2000 Meter in Richtung Oberalppass. Da in der Ecke entspringt auch der Rhein, von der ganzen unwirtlichen Natur war aber nur sehr wenig zu sehen, denn größtenteils fuhr der Zug durch dichte tiefhängende Regenwolken, die nur hier und da mal einen Blick auf nasse Wiesen freigaben.

Direkt vor dem Oberalppass geht es dann ohnehin ewig lange durch Tunnel und Lawinengalerien, bevor man oben an der Passhöhe rauskommt. Dort war witzigerweise bessere Sicht, denn die erste Wolkenschicht hatte man nun schon unter sich gelassen. Regnen tat es trotzdem nach wie vor, der Trend geht offensichtlich auch da zu mehrlagigen Wolkenschichten. 2017 hatte ich ja am Oberalppass mal bei ähnlich nassem Wetter eine Wanderung gemacht, diesmal war ich ganz froh, ohne Rutschgefahr den Berg runter fahren zu können.

Der Abstieg in Richtung Andermatt erfolgt in wilden Serpentinen, da hat man zwischendrin einen fantastischen Blick auf den Ort, der sich da vor einem wie eine Modellbahn präsentiert. Viel zu erkennen war dank des Wetters nicht, aber seit meinem letzten Besuch hatte sich einiges verändert – mehr Seilbahnen, mehr Skilifte und ein riesiger Hotelkomplex am nördlichen Ortsrand. Ob das nun so wahnsinnig gut ist… Nunja.

Wenige Minuten später, inzwischen war früher Nachmittag, war der Zug auch schon am Bahnhof angekommen und ich hatte tatsächlich eine halbe Stunde Luft.

Die passende Führerstandsmitfahrt gibt es natürlich auch auf youtube.

Der Bahnhof war seit meinem letzten Umsteigen dort 2017 auch umgebaut worden, komplett neuer Durchgang mit viel Platz für Touristenmassen, großzügig angelegte Klos, eine Shoppingmall(!) für edle Klamotten und mehr, was eigentlich keiner braucht. Immerhin gabs noch das Bahnhofsbistro, so eine ganz klassische Bahnhofskneipe mit etwa 10 Tischen, einem Bierzapfhahn und freundlichem Personal – und der Laden war gut gefüllt. Ich hatte mich ja eigentlich nur kurz dahin verzogen, damit ich nicht am Bahnsteig nassgeregnet werde, aber wenn man schon mal da ist kann man auch noch fix ’nen Kaffee bestellen. Damit ließen sich dann auch 30 Minuten Wartezeit prima überbrücken.

Schluchtentour

Nun fuhr der Anschlusszug Richtung Göschenen ein, und wie ich da einsteigen wollte gabs nen doofen Kommentar einer Zugbegleiterin von wegen Leute aussteigen lassen – ja nur, welche Leute? Da stieg niemand aus, und wenn sie nicht ausm Quark kommt und sich erst vom Sitz erhebt und gen Tür watschelt wenn der Zug schon angehalten hat, braucht sie sich nicht wundern, dass sie von Leuten umgerannt wird, die vom nassen Bahnsteig in den trockenen Zug einsteigen wollen…

Egal, die Fahrt durch die Schöllenenschlucht ist ja dann so kurz wie spektakulär – habe ich schon mehrfach gemacht, ist immer wieder ein Erlebnis. Man quietscht halt fünf Minuten lang den Berg runter, vorbei an den Teufelsbrücken und dem Suworow-Denkmal, neben bzw. unter einem rauscht die Reuss zu Tal, die Autos schrauben sich in Serpentinen den Berg hoch bzw. runter, und kaum hat man das alles mitbekommen hält der Zug auch schon in Göschenen an.

Und weil diese Strecke so wahnsinnig spektakulär ist, gibt es leider keine passende Mitfahrt auf youtube, dafür aber mehrere Mitfahrten in der Gegenrichtung…

Wassen von oben, von der Mitte und von unten

Der Bahnhof Göschenen liegt bekanntermaßen (also mir ists bekannt, den Schweizern sicher auch, den Rest der Welt wird es eher nicht interessieren) am Nordportal des Gotthardtunnels (das Original von 1882, nicht der Straßentunnel von 1980). Man sieht das Tunnelportal direkt vom Bahnsteig aus. Und aus diesem dunkeln Loch sollte kurz nach meiner Ankunft am Bahnsteig auch schon der Zug kommen. Ich orientierte mich noch am Bahnsteig, weil ich für die erste Klasse am falschen Ende stand, und kaum hatte ich den richtigen Abschnitt erreicht hatte der Zug auch schon neben mir gehalten.

Erfreulicherweise war auch dieser Zug recht leer, so dass ich die Fahrt den Gotthard runter von der idealen Seite aus genießen konnte. Hochgefahren war ich die Strecke schon mehrfach, 2013 und 2017 nämlich, runtergewandert war ich 2017 auch, nur runtergefahren noch nie. Macht aber nix, das Hauptproblem der Strecke ist ja, dass die Fahrt viel zu schnell und damit viel zu kurz ist. Hätten die die Strecke damals mit engeren Kurvenradien trassiert wäre das nicht passiert, aber wer weiß wie sich dann die Schweizer Verkehrsgeschichte entwickelt hätte…

Auf jeden Fall kurvte der Zug nun von Göschenen aus in Richtung Wassen, durch tiefhängende Wolken und konstanten Regen. Bei Wassen folgt ja dann eine doppelte 180-Grad-Kehre, so dass man dreimal an der markant frei über dem Ort stehenden Kirche von Wassen vorbeikommt, die erst rechts unten, dann links auf quasi gleicher Höhe und kurz darauf noch mal links oben zu sehen ist. Danach folgen weitere Highlights wie der Pfaffensprung-Kehrtunnel, diverse Brücken und Galerien und bei Intschi quert die Strecke schließlich das Tal, so dass ich mir folgerichtig den Sitzplatz auf der anderen Zugseite suchte, denn nun war der Berg nicht mehr links vom Zug, sondern rechts, während die schöne Aussicht ins Tal von rechts nach links wechselte (und nach wie vor mehr Regen und Wolken bot, als mir lieb gewesen wären).

Damit hatte der Zug aber im Prinzip auch schon Amsteg-Silenen erreicht, von da aus geht es eigentlich nur noch gradeaus nach Erstfeld hinunter. Ich weiß noch wie kaputt ich damals bei der Wanderung war, weil mich der Wanderweg da noch mehrfach blöd den Berg hinaufgejagt hatte, zumal an dem Tag 30 Grad waren. Das Problem hatte ich heute nicht, dafür war die Fahrt die Rampe runter aber viel zu schnell vorbei. Rund 20 Minuten hatte es gedauert…

Allerdings war ja Erstfeld noch nicht das Ziel der Fahrt, nun ging es ja noch weiter über Flüelen und Brunnen bis nach Arth-Goldau. Wer die Aufzeichnungen des Urlaubs verfolgt hat wird merken, dass ich wenige Tage vorher in der Ecke wandern gewesen war, nun konnte ich die Gegend nochmal vom Zug aus angucken. Viel zu sehen gabs da allerdings nicht, die Bahnstrecke führt da in erster Linie durch Tunnel. Da müsste man mal große Displays an der Tunnelwand anbringen, die einem das Seepanorama vom Wanderweg her näherbringen.

Nördlich von Brunnen wurde das Wetter nun etwas trockener, will sagen der Regen hatte so gut wie aufgehört. Die allgemeine Weitsicht reichte trotzdem nur bis zu den nächstgelegenen Berghängen, wo sich noch immer Wolken in den Bäumen sammelten. Der spektakuläre Teil der Tour war nun ohnehin durch, die Strecke hatte ich erst wenige Tage vorher in der Gegenrichtung befahren, insofern gibt es da jetzt nicht mehr viel zu berichten. Der Zug erreichte jedenfalls Arth-Goldau und da hieß es letztmals an diesem Tag aus- und umsteigen.

Die passende Führerstandsmitfahrt gibt es auf youtube, Göschenen ab 1:12h.

Zurück nach Luzern

Der Bahnhof Arth-Goldau ist ja ein Keilbahnhof, da trennt sich die Strecke Richtung Zürich über Zug (östliches Ufer des Zugersees) von der Strecke Richtung Luzern via Immensee und weiter über Küssnacht oder Rotkreuz (westliches Ufer des Zugersees). Für den Umsteiger heißt das aber auch nur, dass er quer über den Bahnsteig laufen muss und der Umsteigeweg vom hinteren Zugteil zum hinteren Zugteil des anderen Zuges (bei Fahrtrichtung Norden) kürzer ist, als der Umsteigeweg vom vorderen Zugteil zum vorderen Zugteil. Verwirrt? Egal, man hat genug Zeit die richtige Stelle am Bahnsteig zu finden, wo dann der Zug zum Stehen kommen wird.

Der IC Richtung Luzern war gut besucht, Platz war trotzdem einfach zu finden, und nun ging es über den schon mehrfach befahrenen Streckenabschnitt über Immensee nach Rotkreuz, und ab dort dann über die gleiche Strecke wie am frühen Morgen. Nach rund sieben Stunden und sechs Mal Umsteigen war ich dann gegen 16 Uhr wieder in Luzern angekommen. Und da regnete es auch nicht mehr!

Letzte Mahlzeit

Eine Verschnaufpause später hatte ich nun doch Bock auf Abendessen. Nachdem die Lasagne am Vortag eher mal so meh gewesen war, das Angebot im Rathauskeller aber nicht so recht meinen Geschmack traf landete ich schlußendlich dann doch wieder beim Italiener und bestellte diesmal Pizza. Anfangs saß ich da noch draußen an einem arg wackligen Tisch, nachdem dann das Pärchen am Nachbartisch gegangen war (und nicht mal ausgetrunken hatte..) wurde das Essen kurzerhand geschoben (nämlich auf den freigewordenen Tisch), denn Pizza auf einer wackeligen Unterlage schneiden und daneben ein volles Bier zu stehen haben war eher ein Nervenkitzel der unnötigen Sorte.

Die Pizza war super, das Bier auch, und damit hatte der Tag Struktur. Nach einem finalen Einkauf zwecks Export von Nationalgetränken, die man in Deutschland nicht käuflich erwerben kann, war der Tag dann auch ziemlich rum. Nächstes Ziel am folgenden Morgen: Ausschlafen zwecks spätem Checkout.

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